Die MiCA-Regulierung und ihre Auswirkungen
Kryptowährungen haben in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen und halten derzeit zunehmend Einzug in die Finanzwelt. Neben potenziellen Einsatzmöglichkeiten der zugrundeliegenden disruptiven Distributed-Ledger-Technologie rückt vor allem auch der Handel mit Krypto-Assets verstärkt in den Fokus der Finanzdienstleister. Trotz regelmäßiger Verwerfungen am Krypto-Markt und spektakulärer Insolvenzen von Krypto-Handelsplattformen bleibt die Nachfrage nach digitalen Vermögenswerten auf einem relevanten Niveau. Das tägliche Handelsvolumen von Kryptowährungen beläuft sich weltweit auf mehrstelligen Milliardenbetrag und das Krypto-Ökosystem dringt beharrlich in die Finanzbranche vor, wie aktuelle Initiativen z.B. der DekaBank (Kryptoverwahrlizenz), der Commerzbank (Kryptoverwahrlizenz), von Hauk Aufhäuser Lampe (Registerführer Kryptoanleihe) oder der dwpbank (Handel und Verwahrung von Bitcoin) zum Teil in Kooperation mit externen Dienstleistern zeigen.
Einige der digitalen Vermögenswerte haben sich bereits in relativ kurzer Zeit von einem ursprünglich reinen Spekulationsobjekt hin zu einer ernstzunehmenden alternativen Geldanlage entwickelt. Selbst konventionelle Banken haben auf diese Entwicklung reagiert und angefangen ihren Kunden Krypto-Produkte anzubieten. Ein großer Unsicherheitsfaktor im Krypto-Markt ist jedoch, dass der Großteil der Akteure bisher nicht ausreichend reguliert war.
Dem möchte die Europäische Kommission mit der als „Markets in Crypto-Assets (MiCA)“ getauften Verordnung gezielt entgegenwirken. Zur Verbesserung der Rechtssicherheit, zur Harmonisierung der Regelungen innerhalb der EU sowie zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Krypto-Sektor hat die Europäische Kommission bereits am 24.09.2020 ihren Vorschlag für die MiCA-Regulierung vorgestellt [1], auf dessen Basis nun im April 2023 die entsprechende Gesetzgebung verabschiedet wurde [2]. Die Wahrung der Finanzstabilität und die Förderung von Innovationen gehören dabei ebenfalls zu den Zielen des vorgeschlagenen Maßnahmenpakets. Die Auswirkungen der Verordnung sind weitreichend und werden die Mehrzahl der Marktteilnehmer in der EU-Krypto-Branche betreffen.
Leitlinien der Regulierung
Die MiCA-Verordnung zielt darauf ab, Emittenten von Kryptowerten und Anbieter von Krypto-Dienstleistungen zu regulieren. Durch die Verordnung sollen weitgehend die derzeit EU-weit unterschiedlichen Regelungen für Kryptowerte durch einheitliche, EU-weite Standards ersetzt werden, wodurch u.a. auch ein Beitrag zur Unterbindung von Geldwäsche und Terrorismus geleistet werden soll.
Die Verordnung beinhaltet Transparenz- und Offenlegungspflichten sowie Regelungen zur Zulassung und Überwachung von Token-Emittenten und Anbietern von Krypto-Dienstleistungen. Darüber hinaus umfasst sie auch Maßnahmen zur Verhinderung von Marktmissbrauch sowie Verbraucherschutzvorschriften im Kontext von Kryptowert-Ausgabe, -Tausch, -Verwahrung und
-Handel. Desweitern regelt die Verordnung den Betrieb, die Organisation und die Unternehmensführung von Token-Emittenten und Anbietern von Krypto-Dienstleistungen.
Abbildung 1: Von der MiCA-Regulierung betroffene Akteure und Kryptowerte
Bestimmungen zu Emission und Handel
Kryptowerte werden in der MiCA-Regulierung definiert als „digitale Darstellungen von Werten oder Rechten, die unter Verwendung der DLT oder einer ähnlichen Technologie elektronisch übertragen und gespeichert werden können“. Geregelt werden in der Verordnung die Emission und der Handel folgender Kryptowerte:
- Wertreferenzierte Token
- E-Geld Token
- Kryptowerte, die weder wertreferenzierte Token noch E-Geld Token sind
Als wertreferenzierter Token wird dabei ein Kryptowert bezeichnet, „bei dem verschiedene Nominalgeldwährungen, die gesetzliche Zahlungsmittel sind, oder eine oder mehrere Waren oder ein oder mehrere Kryptowerte oder eine Kombination solcher Werte als Bezugsgrundlage verwendet werden, um Wertstabilität zu erreichen“. In einer vorläufigen Einordnung würde man beispielsweise die Kryptowährungen DAI und Tether zu dieser Kategorie zählen.
Ein öffentliches Angebot wertreferenzierter Token und deren Handel auf einer Handelsplattform für Kryptowerte ist nach MiCA bis auf wenige Ausnahmen zulassungspflichtig, wobei die Zulassung durch juristische Personen beantragt werden kann. Die Emittenten müssen eine Niederlassung in der Europäischen Union besitzen und unterliegen etlichen Pflichten, wie bspw. der Pflicht zu fairem Handeln im besten Interesse der Inhaber, Veröffentlichung eines Kryptowert-Whitepapers, Marketing-Mitteilungen, Unterrichtung der Inhaber, Durchführung von Beschwerdeverfahren, Offenlegung von Interessenkonflikten, Unterrichtung der zuständigen Behörden, Einhalten spezifischer Regelungen zur Unternehmensführung und nicht zuletzt Vorhalten von Eigenmitteln in ausreichender Höhe.
Als E-Geld Token wird ein Kryptowert charakterisiert, „dessen Hauptzweck darin besteht, als Tauschmittel zu dienen, und bei dem eine Nominalgeldwährung, die gesetzlichen Zahlungsmittel ist, als Bezugsgrundlage verwendet wird, um Wertstabilität zu erreichen“. Zum Beispiel könnten die Kryptowährungen EURO Coin und USD Coin potenziell als E-Geld Token qualifiziert werden. Ein öffentliches Anbieten von E-Geld Token oder deren Handel auf einer Handelsplattform für Kryptowerte ist nach MiCA in den meisten Fällen nur möglich, falls der Emittent
die EU-Richtlinie über die Tätigkeit von E-Geld-Instituten erfüllt und insbesondere als ein E-Geld- bzw. Kreditinstitut zugelassen wurde. Die Veröffentlichung eines Kryptowert-Whitepapers und dessen Notifizierung bei der zuständigen Behörde stellt ebenso eine Voraussetzung für das öffentliche Anbieten oder den Handel von E-Geld Token dar.
Neben den genannten Bestimmungen müssen Emittenten von E-Geld Token auch in einem hohen Maße die regulatorischen Vorschriften für E-Geld einhalten. Ebenso werden sie nach MiCA verpflichtet eine Reihe von Anforderungen hinsichtlich Ausgabe und Rücktauschbarkeit der Token zu erfüllen. Dabei wird Inhabern der Token ein Forderungsanspruch gegenüber dem Emittenten der betreffenden E-Geld-Token eingeräumt. Die Emittenten werden verpflichtet E-Geld-Token bei Erhalt eines Geldbetrags zum Nennwert auszugeben sowie auf Verlangen des Inhabers der Token den monetären Wert an die Inhaber zum Nennwert zurückzuzahlen. Den Emittenten von E-Geld-Token und Anbietern von Krypto-Dienstleistungen wird nicht gestattet Zinsen oder andere Vorteile, die im Zusammenhang mit dem Zeitraum stehen, in dem die Token gehalten werden, zu gewähren. In der MiCA wird zudem auch die Haftung für die in einem Kryptowert-Whitepaper enthaltenen Informationen geregelt und die Anlage von im Tausch gegen E-Geld-Token entgegengenommene Geldbeträge reguliert.
Kryptowerte, die weder wertreferenzierte Token noch E-Geld Token sind, können durch juristische Personen in der EU öffentlich angeboten werden, wobei zum Handel auf einer Handelsplattform für Kryptowerte eine Zulassung notwendig ist. Auch muss (bis auf wenige Ausnahmen) eine Notifizierung bei der zuständigen Behörde und eine Veröffentlichung des Kryptowert-Whitepapers erfolgen. Im Übrigen werden durch MiCA auch für Kryptowerte, die weder wertreferenzierte Token noch E-Geld Token sind, Marketing-Mitteilungen reguliert und Token-Inhabern Widerrufsrechte gewährt. Die Regulierungen für die zuletzt genannte Kategorie würden sich aller Voraussicht nach u.a. auf Bitcoin und Ethereum auswirken.
Zur Beantwortung der Frage, unter welche der oben genannten Token-Kategorien jeweils ein spezifisches am Markt angebotenes Krypto-Asset letztendlich fällt und welche Rechtsfolgen damit einhergehen, bedarf es einer detaillierten Einzelfallprüfung, bei der insbesondere aktuelle Angaben der Emittenten einbezogen werden müssen.
Regelungen zu Krypto-Dienstleistungen
Neben der Emission und dem Handel von Kryptowerten reguliert MiCA auch die Ausübung von Krypto-Dienstleistungen. So dürfen diese nur von Anbietern mit Sitz in der EU, die eine entsprechende Zulassung von den Aufsichtsbehörden erhalten haben, erbracht werden. Zudem müssen Anbieter von Krypto-Dienstleistungen einige aufsichtsrechtliche und organisatorische Anforderungen erfüllen und unterliegen einer Reihe von allgemeinen Pflichten hinsichtlich fairen Handelns im Interesse der Kunden, adäquatem Beschwerdemanagement, Umgang mit Interessenkonflikten und Outsourcing von Aufgaben. Zusätzlich werden den Anbietern auch Pflichten in Bezug auf die Erbringung spezifischer Krypto-Dienstleistungen auferlegt. Zu den Dienstleistungen zählen dabei die Verwahrung und Verwaltung von Kryptowerten, der Betrieb einer Handelsplattform, der Tausch von Kryptowerten, die Ausführung von Aufträgen über Kryptowerte, Platzierung von Kryptowerten, Annahme und Übermittlung von Aufträgen sowie die Beratung zu Kryptowerten.
Lizensierte CRR-Kreditinstitute werden für die Erbringung von Krypto-Dienstleistungen keine Zulassung benötigen. Das gleiche gilt auch für lizensierte Wertpapierfirmen, sofern die Krypto-Dienstleistungen mit den Wertpapierdienstleistungen und Anlagetätigkeiten, für die die Wertpapierfirmen zugelassen sind, gleichwertig sind.
Rechtliche Einordnung und Fristen
Die Abgrenzung und die Eingliederung der MiCA-Verordnung in das geltende Recht sieht folgendermaßen aus: Zum einen findet die Verordnung keine Anwendung auf Kryptowerte, die unter den Wertpapierbegriff der MiFID-II-Richtlinie fallen (Security Token). Zum anderen gelten die durch das eWPG erfassten Regelungsbereiche weiterhin eigenständig neben der MiCA-Verordnung.
Ab Inkrafttreten der Verordnung wird sich der MiCA-Rechtsrahmen nach einer 12 bis 18 Monate langen Übergangsphase vollständig entfalten.
Auswirkungen auf Banken
Eine Bank, die als Anbieter von Krypto-Dienstleistungen fungiert, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit sowohl die bestehenden Prozesse anpassen als auch zusätzliche Überwachungsmaßnahmen einleiten müssen. So müssen beispielsweise spezifische interne Kontrollmechanismen und wirksame Verfahren für die Risikobewertung eingeführt werden. Das Vorhalten eines Liquiditätspuffers ist ebenfalls obligatorisch und muss prozessual erfasst sowie umgesetzt werden. Ebenso ist es notwendig Vorkehrungen zur Aufdeckung von Marktmissbrauch sowie Verfahren zu angemessenem Umgang mit Kundenbeschwerden in die Bankprozesse zu integrieren.
Bietet der Finanzdienstleister die Verwahrung und Verwaltung von Kryptowerten für Dritte an, so müssen auch einige Anforderungen an das Verzeichnis der Kundenpositionen umgesetzt und bestimmte Regelungen zur Führung der Kryptowerte auf der DLT in die Abläufe eingearbeitet werden.
Ferner müssen Banken, die eine Handelsplattform für Kryptowerte betreiben, bestimmte Forderungen zur Veröffentlichung von Daten zu Handelsinteressen und zu getätigten Kryptogeschäften entsprechen. Von den damit einhergehenden Anpassungen abgesehen müssen auch die Bestimmungen zur Abwicklung von Geschäften und zur Erstattung von Berichten an relevante Behörden in den Systemen bzw. Prozessen abgebildet werden.
Der genaue Handlungsbedarf für eine spezifische Bank hängt von der tatsächlichen Art der angebotenen Krypto-Dienstleistung ab. So erfordert die Ausführung von Aufträgen für Dritte bspw. die Einführung wirksamer Vorkehrungen zum Erzielen von bestmöglichen Ergebnissen im Hinblick auf Preis, Schnelligkeit, Zuverlässigkeit, etc. Bei der Platzierung von Kryptowerten dagegen ist die Übermittlung von bestimmten Informationen vor Vertragsabschluss vorgeschrieben und muss in die Abläufe integriert werden. Bei der Übermittlung von Aufträgen wiederrum sind Vorkehrungen für einen unverzüglichen und ordnungsgemäßen Prozessablauf zu treffen. Schließlich ist die Beratung zu Kryptowerten dahingehend anzupassen, dass neben der Umsetzung anderer Anforderungen u.a z.B. die Eignung von Krypto-Assets für Kunden anhand ihrer Kenntnisse und Ziele bewertet werden muss.
Eine wichtige strategische Maßnahme in Zusammenhang mit der MiCA-Regulierung ist dabei die Prüfung und eine eventuelle Überarbeitung der Unternehmenspositionierung in Bezug auf Krypto-Dienstleistungen, da die EU-weite Vereinheitlichung die Spielregeln am Markt maßgeblich verändert und die Möglichkeit bietet, neue Marktanteile zu gewinnen.
Fazit
Mit der MiCA-Verordnung wird für den europäischen Krypto-Markt ein rechtliches Rahmenwerk geschaffen, das sowohl Investoren als auch Unternehmen und insbesondere Kreditinstituten massive Chancen bietet. Durch die Beaufsichtigung der Krypto-Akteure, die Implementierung von Transparenzregelungen und Vorschriften für eine ordnungsgemäße Geschäftsorganisation sowie die Einführung von Anlegerschutz- und Anti-Financial-Crime-Maßnahmen lassen sich die Risiken der privaten und institutionellen Anleger deutlich besser steuern als es im unregulierten Markt der Fall gewesen ist.
Dies trägt nicht nur zur sukzessiven Anerkennung von Kryptowerten als neue Assetklasse bei, sondern ermöglicht es auch, neuartige Produkte, Dienstleistungen und Geschäftsmodelle auf einer robusten rechtlichen Grundlage aufzubauen. Der mit einer Regulierung einhergehende verlässliche Rechtsrahmen sorgt für mehr Vertrauen und macht zudem eine Vielzahl der Geschäftsprozesse zwischen den Marktteilnehmern planbar und vorhersehbar.
Nichtdestotrotz birgt die Regulierung auch große Herausforderungen für die Krypto-Akteure. Die Umsetzung der regulatorischen Anforderungen erfordert zum Teil hohe Investitionen in die bestehende IT-Infrastruktur, die Organisationsstruktur sowie die Fortbildung von Mitarbeitern. Die Umsetzung der entsprechenden Change-Projekte kann durchaus komplex werden und bedarf einer sorgfältigen Planung. Für die Marktteilnehmer empfiehlt es sich, sich frühzeitig auf die Anforderungen vorzubereiten und proaktiv sowohl den internen Handlungsbedarf zu identifizieren als auch die strategischen Ziele festzulegen.
Wir verfolgen die regulatorische Situation rund um den Krypto-Markt sehr aufmerksam und blicken als Beratung auf langjährige Erfahrung in der Umsetzung gesetzlicher Anforderungen zurück. Gerne stellen wir Ihnen unsere umfangreiche Fach- und Digitalisierungsexpertise zur Verfügung und erarbeiten eine bedarfsorientierte Lösung für Ihr Institut. Unsere hochqualifizierten Beraterinnen und Berater freuen sich, Sie bei der Umsetzung der aus der MiCA-Regulierung heraus resultierenden Anpassungen unterstützen zu dürfen.
Haben Sie Fragen zur MiCA-Regulierung oder möchten Sie sich zu Krypto-Themen austauschen? Dann sprechen Sie uns gerne an!
Christian Treske, Senior Manager
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