Anforderungsmanagement – wie man gute User Stories schreibt…
Effektives Anforderungsmanagement – der unterschätzte Einfluss auf die digitale Transformation
In einer sich nachhaltig verändernden Finanzlandschaft stehen Banken und Versicherungen zunehmend unter Druck, digitale Projekte effizient umzusetzen und gleichzeitig die Erwartungen ihrer Kunden zu erfüllen. Der Erfolg der Projekte wird dabei maßgeblich von der Qualität des Anforderungsmanagements beeinflusst. Präzise und eindeutige Anforderungen bilden die Grundlage für eine nachhaltige und kundenorientierte Umsetzung.
In der Praxis zeigt sich immer wieder, dass trotz intensiver Bemühungen aller Beteiligten, die Ergebnisse nicht immer den ursprünglichen Erwartungen entsprechen. In der Rückschau ist ein Scheitern von (Teil-)Projekten selten auf nur eine singuläre Ursache zurückzuführen. Sehr häufig spielt jedoch defizitäres Anforderungsmanagement eine entscheidende Rolle. Insbesondere unvollständige oder unpräzise Anforderungsdefinitionen tragen wesentlich zum Misserfolg bei.
Anforderungsmanagement als Fundament für Projekterfolg
Effektives Anforderungsmanagement beginnt mit einer klaren und strukturierten Definition der Ziele und Erwartungen. Hierbei geht es nicht darum, technische Details bis ins Kleinste auszuformulieren, sondern viel mehr um das Verständnis der fachlichen und operativen Anforderungen. Anforderungen sind dabei so zu definieren, dass alle Beteiligten – vom Projektleiter über den Fachbereich bis zum Umsetzungsteam in der IT – dieselben Ziele verfolgen und eine gemeinsame Sprache sprechen. Fehlende Kommunikation und mangelnde Klarheit, besonders in frühen Projektphasen, führen häufig zu Missverständnissen und Fehlentwicklungen, die später nur schwer und damit teuer zu korrigieren sind. Dies gilt sowohl für klassische als auch für agile Projekte.
User Stories – Der Schlüssel zu klaren Anforderungen
Ein effektives Werkzeug für die systematische Definition von Anforderungen ist der Einsatz von User Stories. Aus der Softwareentwicklung erwachsen und insbesondere bekannt aus Vorgehensmodellen wie Scrum oder Extreme Programming wurden sie entwickelt, um Anforderungen einheitlich und strukturiert zu beschreiben. User Stories formulieren die Anforderungen konsequent aus der Perspektive des Nutzers, wodurch sie eine praxisnahe Verbindung zwischen fachlichen und technischen Bedürfnissen schaffen.
Eine gut formulierte User Story beantwortet die die drei Kernfragen „Wer?“, „Was?“, „Warum?“ einer Anforderung. Die Frage nach dem „Wer“ dient dazu, den späteren Nutzer der entwickelten Lösung zu identifizieren. Die Antworten auf die Fragen „Was?“ und „Warum?“ bringen dabei die Funktion und den Nutzen prägnant zum Ausdruck, ohne sich in technischen Details zu verlieren.

Die bewährte Struktur „Als [Nutzer] möchte ich [Funktion], um/ damit [Nutzen/Ziel]“ bildet dabei eine standardisierte Grundlage für User Stories und lässt sich exemplarisch wie folgt formulieren: „Als Baufinanzierungskunde möchte ich in der bestehenden Banking-App eine Auflistung der noch fehlenden Unterlagen sehen, damit ich weiß, welche Dokumente ich noch einreichen muss.“

Best Practices für das Schreiben von User Stories
In der Praxis sind User Stories nicht nur eine standardisierte Nutzerbedarfsbeschreibung. Sie bilden eine zentrale Grundlage für die Entwicklung, das Testing sowie die Validierung der Entwicklungsergebnisse hinsichtlich der Erfüllung funktionaler und qualitativer Vorgaben. Eine lückenlose Dokumentation sichert zudem die Einhaltung und Nachvollziehbarkeit der kausalen Kette (von der Anforderungsdefinition bis zur Abnahme) und ist damit gerade in stärker regulierten oder komplexeren Projektumfeldern ein essenzieller Bestandteil für eine revisionssichere Dokumentation.
Um sicherzustellen, dass User Stories über die narrativen Beschreibungen hinaus auch tatsächlich in der Praxis umgesetzt werden können und dabei sowohl die Erwartungen der Nutzer als auch die technischen und regulatorischen Rahmenbedingungen einhalten, müssen Anforderungen mitunter durch kontextbezogene Informationen ergänzt werden. Dazu gehören beispielsweise rechtliche oder Compliance-Vorgaben, die nicht durch die Entwicklung entschieden werden können.
Strukturiert formulierte User Stories erhöhen die Klarheit, minimieren Missverständnisse und unterstützen eine effiziente Umsetzung. Bei der Formulierung von User Storyies können unterschiedliche methodische Ansätze als Orientierung dienen. Wertvolle Leitlinien für eine präzise und umsetzbare Formulierung bieten beispielsweise die SMART-Methode oder das INVEST-Prinzip:
SMART-Methode
- Specific: Das erwartete Ergebnis ist klar und prägnant beschrieben
- Measurable: Die Qualität des erwarteten Ergebnisses ist (z. B. anhand Akzeptanzkriterien) messbar
- Achievable: Die User Story ist grundlegend machbar und realistisch in Bezug auf Umfang, Budget und Zeitplan
- Relevant: Die User Story beschreibt ein echtes Benutzerbedürfnis
- Time-bound: Die Story ist in der Zeit eines Sprints umsetzbar
INVEST-Prinzip
- Independent: Jede User Story sollte für sich stehen und unabhängig umsetzbar sein
- Negotiable: Sie ist flexibel und kann angepasst werden, wenn sich Rahmenbedingungen ändern
- Valuable: Sie liefert einen klaren Mehrwert für den Endnutzer
- Estimable: Die Entwickler können den Aufwand realistisch einschätzen
- Small: Die Story sollte klein genug sein, um innerhalb eines Sprints umgesetzt zu werden
- Testable: Sie ist eindeutig überprüfbar – entweder wurde das Ziel erreicht oder nicht
Die genannten Ansätze sind dabei als beispielhafte Werkzeuge zu verstehen und bilden keinerlei verbindliche Vorgabe. Die Auswahl der geeigneten Methode sollte im Kontext der Anforderungen sowie der Projektrahmenbedingen erfolgen.
Um die gestellten Erwartungen auch zu erfüllen und die Ergebnisse von User Stories messbar zu machen, braucht es zudem einheitliche Akzeptanzkriterien. Akzeptanzkriterien definieren präzise, wann eine User Story als erfüllt gilt. Konkret dienen sie als Prüfrahmen, anhand dessen alle Beteiligten feststellen können, ob eine Anforderung korrekt umgesetzt wurde. Ohne klare Akzeptanzkriterien steigt das Risiko, dass Ergebnisse unterschiedlich interpretiert werden – je nachdem, ob der Fachbereich, die IT oder das Testteam ein Resultat bewertet. Einheitliche Kriterien schaffen somit die notwendige Klarheit, sparen Zeit sowie zusätzliche Abnahmeschleifen und reduzieren die Nacharbeit.
Damit Akzeptanzkriterien zielführend sind, müssen sie konkret und messbar formuliert sein. Eine gute Formulierung konzentriert sich auf das Wesentliche – das ‚Was‘ – und vermeidet sowohl zu vage als auch übermäßig detaillierte Beschreibungen.
Beispiele für klare Formulierungen sind: „Die Kreditkartenabrechnung wird dem Kunden innerhalb von 2 Sekunden nach Klick auf den Download-Button angezeigt.“ oder „Nach Unterschrift durch den Kunden wird eine Bestätigungs-E-Mail an die hinterlegte E-Mail-Adresse versendet.“

Werkzeuge für ein effektives Anforderungsmanagement
Neben den methodischen Herangehensweisen sind auch digitale Tools für eine effiziente Umsetzung von entscheidender Bedeutung. Entsprechende Softwarelösungen unterstützen bei der Erstellung, der Verwaltung und der Nachverfolgung von User Stories und erleichtern damit die Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten. Ein branchenübergreifend etabliertes Tool ist beispielweise Jira von Atlassian. Jira bietet alle notwendigen Funktionen für die Erstellung und Verwaltung von User Stories. Spezifisch konfigurierbare Keyword-Kategorien wie z. B. Komponenten, Stichwörter oder auch die bereits genannten Akzeptanzkriterien helfen bei der Strukturierung und Bewertung der erstellten User Stories. Für die übergeordnete Verwaltung und Steuerung von (Teil-)Projekten in komplexeren Umgebungen bieten Tools wie Jira ebenfalls eine Vielzahl an Funktionen. Die Transparenz durch integrierte Dashboard- oder Berichtslösungen ist besonders dann hilfreich, wenn mehrere Teams parallel an untereinander abhängigen Teillösungen arbeiten, die nahtlos zu einem konsistenten Endprodukt zusammengeführt werden müssen. Je nach Einsatzzweck und Anforderung können Workflows individuell angepasst werden, um projektspezifische Prozesse besser abzubilden und so flexibel auf besondere Gegebenheiten eingehen zu können.
Mittels dieser Funktionen gewährleisten Werkzeuge wie Jira ein effizientes Arbeiten und bilden eine nahezu unverzichtbare Unterstützung im Anforderungsmanagement.
Unterschätzte Risiken durch unklare Anforderungen
Werden etablierte Vorgaben oder Best Practices nicht berücksichtigt, entstehen häufig vage oder missverständlich formulierte Anforderungen. Diese führen zwangsläufig zu erheblichen Herausforderungen im Projektverlauf. Ein treffender Vergleich in dieser Hinsicht ist ein Bauprojekt: Wenn man einem Architekten mit dem Bau des eigenen Traumhauses beauftragt, ohne zu Beginn klare Vorgaben zu machen, wird das Ergebnis höchstwahrscheinlich nicht den ursprünglichen Vorstellungen entsprechen.
In der Praxis zeigt sich häufig, dass fachliche Vorgaben zwar grundsätzlich in User Stories erfasst und skizziert werden können, die technischen Auswirkungen und Herausforderungen jedoch oftmals unterschätzt bleiben. Gleichzeitig fehlt den technischen Experten stellenweise ein umfassendes Verständnis für den fachlichen Kontext sowie die Perspektive des Endnutzers. Diese wechselseitigen Defizite begünstigen Missverständnisse oder unvollständige Anforderungsdefinitionen und führen vielfach zu einer technischen Umsetzung, die nicht hinreichend mit den fachlichen Erwartungen in Einklang gebracht werden kann. Kostspielige Anpassungen und Verzögerungen im späteren Projektverlauf sind eine unumgängliche Folge. Angesichts dieser Herausforderungen braucht es eine integrative Herangehensweise, in der die fachliche Expertise mit technischem Know-how eng verzahnt wird, um die Anforderungen umfassend, wirksam und zukunftssicher zu gestalten.
Mit einem durchdachten Anforderungsmanagement kann diesen Herausforderungen zielgerichtet begegnet werden. Die konsequente Fusion fachlicher und technischer Perspektiven sowie der systematische Einsatz bewährter Methoden und Tools ermöglichen eine präzise Übersetzung der Erwartungen in umsetzbare Anforderungen. Dies bildet die Basis für erfolgreiche Digitalisierungsprojekte, fördert eine effiziente Entwicklung und reduziert kostenintensive Korrekturschleifen. So lassen sich definierte Zielsetzungen bestmöglich realisieren und langfristig, nachhaltige Wettbewerbsvorteile entwickeln.
An dieser Stelle setzt crossconsulting gezielt an, um Banken und Versicherungen bei der effizienten Gestaltung und Umsetzung ihrer Projekte zu unterstützen. Wir vereinen fundiertes fachliches Know-how mit tiefgreifender technischer Expertise, um Lösungen zu entwickeln, die sowohl die Bedürfnisse der Endnutzer als auch die fachlichen Anforderungen und technischen Rahmenbedingungen gleichermaßen berücksichtigen. Mit unserer langjährigen Branchenerfahrung, umfassenden Marktkenntnissen und zahlreichen erfolgreich abgeschlossenen Projekten verfügen wir über eine weitreichende Expertise im Anforderungsmanagement. Unsere Experten agieren als zentrale Schnittstelle zwischen den Fachbereichen und der IT und stellen sicher, dass die Bedürfnisse der Endnutzer, die fachlichen Anforderungen und die technischen Rahmenbedingungen gleichermaßen berücksichtigt werden. Dieser Ansatz ermöglicht eine ganzheitliche Betrachtung der Anforderungen, reduziert potenzielle Missverständnisse zwischen allen Beteiligten und schafft die Basis für eine nachhaltige und erfolgreiche Umsetzung. Gerne entwickeln wir gemeinsam mit Ihnen wir eine maßgeschneiderte Strategie und begleiten Sie als verlässlicher Partner bei der Umsetzung. Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir unterstützen Sie gerne auf Ihrem Weg der digitalen Transformation.
Autor: Johannes Cysyk (Senior Consultant) und Marius Adenauer (Manager)
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