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DLT-Innovation: EU eröffnet Chancen

Veröffentlicht am: 16. November 2023

Die EU eröffnet regulierten und bislang unregulierten Finanzdienstleistern eine Gelegenheit, neue Geschäftsbereiche basierend auf der Distributed Ledger Technologie als DLT-Marktbetreiber unter reduzierten regulatorischen Auflagen zu erkunden. Durch das Pilot Regime können Unternehmen eine Lizenz als multilaterales Handelssystem oder Wertpapierabwicklungssystem erhalten und das Geschäft für einen begrenzten Zeitraum testen. Entsprechende Anträge können seit dem 23. März 2023 gestellt und Genehmigungen seitens der zuständigen Behörden für einen Zeitraum von drei Jahren mit Möglichkeit zur Verlängerung um weitere drei Jahre erteilt werden. Durch die Einführung dieser „Regulatory Sandbox“ soll das übergeordnete Ziel vorangetrieben werden, die neue Technologie vor allem mit Bezug zur Blockchain künftig auf dem EU­-Kapitalmarkt rechtssicher und dauerhaft zu etablieren.

Neue EU-Verordnung für DLT-Marktinfrastrukturen senkt regulatorische Hürden

Bisher waren Kryptowerte auf europäischer Ebene nur im Kontext der Geldwäschevorschriften als virtuelle Währungen ausdrücklich geregelt. In Deutschland wurden Kryptowerte als Finanzinstrumente klassifiziert, was zur Folge hatte, dass Kryptoverwahrgeschäfte und damit zusammenhängende Dienstleistungen erlaubnispflichtig wurden und Marktbetreiber von der BaFin beaufsichtigt werden. Nun zog auch der europäische Gesetzgeber nach und führte die MiCAR, sowie das DLT Pilot Regime auf Basis der Verordnung (EU) 2022/858 ein. Zwei bedeutende Verordnungen für den europäischen Kryptomarkt. Ziel des Pilot Regimes ist die Etablierung einer zukunftsfähigen Rechtsstruktur, die Banken und Finanzdienstleister befähigt innovative Technologien auf Basis der Distributed-Ledger-Technologie zu entwickeln und zu implementieren. Kryptowerte auf einer Blockchain stellen momentan den wichtigsten Anwendungsfall im Bereich DLT dar. Betreiber einer multilateralen Handelsplattform oder eines Wertpapierabwicklungssystems für Kryptowerte können durch die neue Regelung in Teilen von den bestehenden Vorschriften aus der klassischen Finanzwelt, wie insbesondere der EU-Verordnung über Wertpapierzentralverwahrer (Central Securities Depository Regulation – CSDR), der zweiten europäischen Finanzmarktrichtlinie (MiFID II) und der Zentralverwahreverordnung ausgenommen werden.

Auf eine zentral verantwortliche Aufsichtsbehörde und die aufsichtsrechtliche Erlaubnispflicht wird durch diese Dispensmöglichkeiten jedoch nicht verzichtet.

Als Kryptowerte im DLT-Pilot-Regime sind nur Aktien, Anleihen und UCITS/OGAW definiert

Im Gegensatz zur MiCAR, die sich auf die Regulierung von Kryptowerten selbst konzentriert, zielt das DLT-Pilot-Regime darauf ab, die Infrastruktur für ein digitales Finanzwesen zu schaffen und das Potenzial der DLT im Bereich der Abwicklung von (Wertpapier-) Transaktionen auszuschöpfen. Es soll die Digitalisierung der Finanzmarktinfrastruktur in der EU vorantreiben, die Schaffung eines Sekundärmarktes für kryptobasierte Finanzinstrumente unterstützen, sowie Innovation und Wettbewerb fördern und die damit verbundenen Risiken minimieren. In diesem Zusammenhang erfasst das DLT-Pilot-Regime weitaus weniger Kryptowerte als die MiCAR. Es bezieht sich ausschließlich auf Kryptowerte, die als Finanzinstrumente gemäß der MiFID II (Markets in Financial Instruments Directive II) gelten. Dies beinhaltet Aktien, Anleihen und UCITS/OGAW. Alle anderen Kryptowerte wie Currency-Token oder Utility-Token sind grundsätzlich vom DLT Pilot Regime ausgenommen. Security-Token fallen nur dann unter das DLT-Pilot-Regime, wenn sie ebenfalls der MiFID II-Reg-ulierung unterliegen. Klassische Kryptowerte wie Bitcoin oder Ethereum sind folglich nicht betroffen, zumal diese als dezentrale autonome Organisationen (DAO) auch nicht über eine notwendige Rechtspersönlichkeit innerhalb der EU verfügen.

Das Pilot Regime erlaubt drei Rollen von Marktinfrastrukturbetreibern

  • DLT-MTF (Multilateral Trading Facility): DLT-MTF beschreibt eine DLT-Marktinfrastruktur, die den multilateralen Handel von Finanzinstrumenten ermöglicht. Es handelt sich um eine Plattform, auf der mehrere Parteien ihre Handelsaufträge einstellen können, die dann miteinander abgeglichen werden.
  • DLT-TSS (Trading and Settlement System): DLT-TSS kombiniert die Funktionen von DLT-MTF und DLT-SS, indem es sowohl den Handel als auch die Abwicklung von Finanzinstrumenten auf einer integrierten Plattform ermöglicht.
  • DLT-SS (Settlement System): DLT-SS ist eine DLT-Marktinfrastruktur, die die Abwicklung von Finanzinstrumenten auf der Blockchain-Technologie durchführt. Es handelt sich um einen Mechanismus, der den Eigentumsübergang der gehandelten Vermögenswerte auf sichere und transparente Weise gewährleistet.

Das DLT-Pilot-Regime beschränkt sich in seinem aktuellen Umfang auf den Handel für die lizensierten Unternehmen:

  • Aktien deren Emittent eine Marktkapitalisierung oder eine voraussichtliche Marktkapitalisierung von weniger als 500 Mio. EUR aufweist,
  • Anleihen mit einem Emissionsvolumen von weniger als 1 Mrd. EUR und
  • UCITS/OGAW (bspw. Fonds) mit einem Marktwert der verwalteten Vermögenswerte von weniger als 500 Mio EUR.

Teilnehmer des Pilot-Regimes müssen bestimmte Anforderungen zum Erhalt einer Lizenz erfüllen

Um die besondere Genehmigung der BaFin zur Durchführung einer DLT-Marktinfrastruktur zu erhalten, sind zusätzliche organisatorische Anforderungen zu erfüllen, die als Gegenleistung für die gewährten Erleichterungen erforderlich sind. Diese Anforderungen sollen sicherstellen, dass ein enger Austausch zwischen der European Securities and Markets Authority (ESMA), den zuständigen nationalen Aufsichtsbehörden und den Marktbetreibern stattfindet und Risiken im Zusammenhang mit der Nutzung der Distributed-Ledger-Technologie angemessen angegangen werden.

Neben einem detaillierten Geschäftsplan umfassen die Anforderungen eine breite Palette von organisatorischen Verpflichtungen, die von DLT-Marktinfrastrukturen erfüllt werden müssen. Dazu gehören Transparenz-, Dokumentations-, Kundeninformations- und Vermögens-schutzpflichten sowie Sicherheitsanforderungen in Bezug auf operationelle und IT-/ Cyber-Risiken. Die Art und Weise, wie diese zusätzlichen Anforderungen erfüllt werden, muss bei der Antragstellung für die Genehmigung bei der zuständigen nationalen Behörde ausführlich beschrieben werden.

Da die Lizenz des Pilot-Regimes von Anfang an auf maximal sechs Jahre begrenzt ist, müssen Inhaber der Lizenz eine Übergangsstrategie für die Beantragung einer Lizenz nach MiFID II oder Zentralverwahrerverordnung festlegen. Beantragt ein Unternehmen die Zulassung als Wertpapierfirma für den Betrieb eines geregelten Marktes nach MiFID II und gleichzeitig eine besondere Genehmigung gemäß Pilot-Regime, prüft die zuständige Behörde für die Zulassung zum Betrieb eines geregelten Marktes nicht, ob die Anforderungen erfüllt sind, für die eine Ausnahme nach dem Pilot-Regime vorliegt. Dasselbe gilt für Zentralverwahrstellen im Bezug zur Zentralverwahrerverordnung. Dadurch erleichtert die Regelung den Markteintritt für neue Unternehmen.

Marktbetreiber, die nicht beabsichtigen eine Zulassung für den Betrieb eines geregelten Marktes gemäß der MiFID II oder einer Zentralverwahrstelle gemäß Zentralverwahrer-verordnung zu erhalten, sind verpflichtet, sich zu bemühen, mit Wertpapierfirmen oder Marktbetreibern, die ein Handelssystem gemäß den ursprünglichen Lizenzen betreiben, Vereinbarungen zur Übernahme ihres Betriebs zu schließen, und beschreiben diese Regelungen in ihren Übergangsstrategien.

Wenn der Gesamtmarktwert aller DLT-Finanzinstrumente, die zum Handel auf einer DLT-Marktinfrastruktur zugelassen sind oder in einer DLT-Marktinfrastruktur verbucht werden, 6 Mrd. EUR erreicht, dürfen keine neuen Werte emittiert oder verbucht werden. Wenn der Gesamtmarktwert 9 Mrd. EUR erreicht, muss der Betreiber der DLT-Marktinfrastruktur die definierte Übergangsstrategie einleiten. Der Gesamtmarktwert der gehandelten oder verbuchten Finanzinstrumente muss monatlich der zuständigen Behörde gemeldet werden.

Das Pilot-Regime soll Innovation und Wettbewerb in der Finanzbranche fördern

Für die Finanzbranche eröffnet das DLT Pilot Regime interessante Perspektiven. Die Blockchain-Technologie ermöglicht es, Effizienz und Sicherheit bei der Abwicklung von Finanzinstrumenten zu verbessern. Transparenz und Echtzeit-Tracking könnten das Vertrauen der Teilnehmer in den Markt stärken.

Banken und etablierte Finanzinstitute haben die Chance, innovative Technologien zu testen und möglicherweise neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Die Blockchain-Integration könnte Kosten reduzieren, Prozesse beschleunigen und Risiken minimieren.

Für FinTechs und aufstrebende Finanzdienstleister bietet das Pilot-Regime die Möglichkeit, ihre Position in der Branche zu stärken und disruptive Lösungen anzubieten. Durch die Teilnahme können sie Zugang zu einem breiteren Kundenstamm erhalten und als innovative Akteure wahrgenommen werden.

Die ESMA veröffentlicht eine Liste der DLT-Infrastrukturen, sowie die Anzahl und Art der spezifischen Ausnahmen, die ihnen gewährt werden.

Derzeit wurde noch kein Antrag auf Ausnahme der bestehenden Regelungen durch die ESMA gewährt oder abgelehnt. Ob bereits entsprechende Anträge gestellt wurden, ist nicht bekannt. Folglich ist entweder das Interesse der Unternehmen an dem Projekt gering oder die Dauer des Antragsprozesses beträgt über ein halbes Jahr.

Fazit

Zusammenfassend markiert das DLT-Pilot-Regime einen Schritt in Richtung einer digitalen und effizienteren Finanzbranche. Die kommenden Jahre werden zeigen, ob und wie die Teilnehmer von diesem Projekt profitieren und welche Auswirkungen es auf die gesamte Finanzindustrie haben wird. Die EU zeigt sich zumindest offen für neue Technologien und fördert Innovationen, um die Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Finanzsektors langfristig zu stärken.

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