Banken | Unternehmensgruppe

Umstellung auf T+1 Settlement: Herausforderungen und Chancen für…

Veröffentlicht am: 9. April 2025

Einleitung und regulatorischer Hintergrund

Die europäische Kommission hat am 12.02.2025 einen Vorschlag für die Anpassung der bestehenden Central Security Depository Regulation (CSDR) veröffentlicht.
Die 2014 in Kraft getretene CSDR hatte die Steigerung der Sicherheit und Effizienz der Wertpapierabwicklung innerhalb der EU zum Ziel. Dies sollte durch die Vereinheitlichung von Regeln für Zentralverwahrer (ZVPs) gewährleistet werden. Auf Basis eines einheitlichen Standards sollten Abwicklungsrisiken reduziert und die Stabilität der europäischen Finanzmärkte gestärkt werden.
In der Finanzwelt definiert der Begriff des „Settlement“ oder „Abwicklung“ den Prozess, der nach dem Geschäftsabschluss durchlaufen wird. Es handelt sich dabei um die letzte Phase einer Transaktion, in der die vereinbarten Wertpapiere geliefert und der ausstehende Betrag überwiesen wird.

Seit Januar 2015 galt auf Basis dieser Verordnung, dass die Handelsabwicklung von Wertpapiergeschäften innerhalb von zwei Arbeitstagen (T+2) nach Abschluss des Geschäftes abgeschlossen sein muss. Mit der im Februar veröffentlichten Anpassung soll dieser Zeitraum auf einen Arbeitstag (T+1) reduziert werden. Der aktuelle Vorschlag der Kommission sieht vor, dass diese Umstellung bis zum 11. Oktober 2027 im Markt umgesetzt sein muss.
Im internationalen Vergleich ist die Europäische Union ein Nachzügler in dieser Anpassung. Bereits 2019 führte China T+0 Settlement für Wertpapiere ein. Indien, die USA und Kanada stellten 2023 beziehungsweise 2024 auf T+1 Settlement um.

Vorteile von T+1 Settlement

Die Umstellung auf T+1 führt zu einer erheblichen Effizienzsteigerung im Abwicklungsprozess, was allen Marktteilnehmern zugutekommt. Sie stellt sicher, dass der europäische Markt mit den globalen Standards Schritt hält und so auf globaler Ebene wettbewerbsfähig bleibt.
Zusätzlich verringert die schnellere Abwicklung das Kontrahentenrisiko in Bezug auf Liefer- und Zahlungsausfälle.
Ein weiterer Vorteil der Umstellung ist die erhöhte Liquidität. Da das Settlement bereits innerhalb eines Tages erfolgt, haben die Marktteilnehmer schneller Zugriff auf ihre abgeschlossenen Transaktionen und müssen bei clearingpflichtigen Kontrakten weniger Margin beim CCP (Central Counterparty / Zentrale Gegenpartei) vorhalten. Die dadurch schnell freiwerdende Liquidität kann an anderer Stelle eingesetzt werden und trägt so dazu bei, den Handel insgesamt effizienter zu gestalten.

Auswirkungen der Umstellung auf T+1 Settlement

Welche Auswirkungen haben diese Vorteile nun konkret für die verschiedenen Marktteilnehmer?
Die zentrale Marktinfrastruktur, wie Wertpapierverwahrstellen (CSDs) und Plattformen wie Target2-Securities (T2S), ist bereits im großen Umfang in der Lage, Transaktionen in T+1 oder sogar in T+0 vollständig abzuwickeln. Laut ESMA-Studie wird heute schon ein Großteil der Transaktionen mit „Matched Settlement Instructions“ in T+1 vollständig abgewickelt. „Matched Settlement Instruction“ bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die Kontrahenten die Abwicklungsinformationen über eine Plattform abgestimmt haben.
Eine Umstellung auf T+1 hätte zur Folge, dass Mismatches in Settlement Instructions in deutlich kürzerer Zeit bearbeitet werden müssten.

Für Handelsplätze und Broker bringt T+1 vor allem eines mit sich: Zeitdruck. Nach Handelsschluss bleibt nur ein verkürztes Zeitfenster von etwa zwei Stunden, um alle Post-Trade-Prozesse abzuschließen. Das bedeutet, dass Systeme angepasst, Prozesse optimiert und möglicherweise sogar Handelszeiten geändert werden müssen. Wer es nicht schafft, Transaktionen rechtzeitig in den Nacht-Settlement-Zyklus (NTS) einzubringen, riskiert zusätzliche Kosten durch die Abwicklung im Real-Time-Settlement (RTS). Besonders kleinere Broker könnten hier vor Herausforderungen stehen, da die notwendigen Investitionen in Technologie und Infrastruktur erheblich sein können.

Für Investoren und Händler bietet T+1 den Vorteil eines schnelleren Zugriffs auf Finanzmittel und einer erhöhten Marktliquidität. Die Umstellung zieht auch hier eine erhebliche Anpassung in Systemen und Prozessen nach sich. Die Standardisierung der „Settlement Instructions“ und die Anbindung an „Matching-Plattformen“ sollten zwingend umgesetzt werden, um Fehler und damit einhergehende Strafzahlungen zu vermeiden.
Der verkürzte Abwicklungszeitraum zieht ebenfalls Anpassungsbedarf im Devisenprozess für Fremdwährungsgeschäfte nach sich. Im heutigen Standard werden die Devisen an T+1 nach Abstimmung der genauen Transaktionsdetails des Wertpapiergeschäftes gehandelt. Dieser Prozess müsste vorgezogen werden, um eine fristgerechte Abwicklung des Wertpapiergeschäftes zu ermöglichen.
Kleinere Marktteilnehmer stehen dadurch vor der großen Problematik, die notwendigen Investitionen in Automatisierung und Systemanpassungen zu stemmen.
Die größte Hürde liegt in der komplexen Harmonisierung der verschiedenen Systeme, Gesetze und Zeitzonen in Europa. Mit 40 Staaten und unterschiedlichen regulatorischen Rahmenbedingungen ist eine Harmonisierung besonders komplex. Es bedarf erheblicher Investitionen und einer sorgfältigen Koordination aller beteiligten Regulierungsbehörden, Marktteilnehmer und Infrastrukturbetreiber.
Um einen koordinierten Übergang zu T+1 in Europa zu gewährleisten, wurde eine neue Governance-Struktur für T+1 Settlement, bestehend aus der Kommission, der Europäischen Zentralbank, ESMA und Vertretern des Finanzsektors, eingerichtet. Sie wird die Bemühungen von öffentlichen und privaten Akteuren koordinieren, um einen nahtlosen Wechsel zu T+1 sicherzustellen.

Fazit

Der gesamte europäische Kapitalmarkt – inklusive aller Akteure – wird von der Umstellung betroffen sein, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß.
Die aktuell geltende Handelsabwicklung in zwei Arbeitstagen stellt eine maximale Frist dar. Auswertungen der ESMA zeigen, dass bereits heute ein Großteil der „Matched-Settlement Transaktionen“ in T+1 und sogar in T+0 abgewickelt wird. Es ist ebenfalls davon auszugehen, dass der Markt nicht bis zum verpflichtenden Termin mit der Umsetzung warten wird. Ein Großteil der Akteure wird schon vor dem Termin die notwendigen Anpassungen umsetzen, was zusätzlichen Druck auf die weiteren Akteure ausübt.
Für den Großteil der Akteure wird die Umstellung große prozessuale sowie systemische Anpassungsbedarfe nach sich ziehen. Diese Änderungen betreffen den gesamten Lebenszyklus einer Transaktion – von der Handelsbestätigung über das Matching bis hin zur endgültigen Abwicklung.
Trotz dieser Herausforderungen verspricht die Umstellung auf T+1 langfristig erhebliche Vorteile für den europäischen Kapitalmarkt. Sie wird die Effizienz steigern, Risiken reduzieren und die Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes Europa stärken. Für alle Marktteilnehmer gilt es nun, sich auf diese Veränderung vorzubereiten und die Chancen zu nutzen, die sich daraus ergeben.

Unsere Handelsempfehlungen

Frühzeitige Bestandsaufnahme:
Führen Sie schnellstmöglich eine umfassende Analyse Ihrer bestehenden Settlement-Prozesse durch. Identifizieren Sie prozessuale Engpässe und technische Anpassungsbedarfe.

Konzeption der technologischen und prozessualen Optimierung:
Erstellen Sie Konzepte für bestehende Anwendungen im Handelsprozess auf Basis der Analyseergebnisse. Ein besonderer Fokus sollte hierbei auf folgenden Themen liegen:

  • Standardisierung von Settlement Instructions
  • Implementierung von Echtzeit-Verarbeitungssystemen
  • Automatisierte Abgleichprozesse für schnelleres Matching

Stakeholder-Management:
Stimmen Sie sich frühzeitig mit relevanten Geschäftspartnern, Depotbanken und Intermediären ab, um wechselseitige Abhängigkeiten zu identifizieren und gemeinsame Lösungsansätze zu entwickeln.

Testkonzept entwickeln:
Planen Sie ausreichend Zeit für umfassende Tests aller angepassten Systeme und Prozesse ein.

Hierbei kann Sie crossconsulting mit langjähriger Erfahrung im Bereich der Settlement-Prozesse unterstützen. Wir verfügen über fundiertes Wissen – unter anderem in den Bereichen Prozessoptimierung, regulatorische Anforderungen und technologische Umsetzung im Wertpapierabwicklungsbereich.
Ein frühzeitiges Handeln ist wichtig. Spätestens jetzt, mit der Veröffentlichung des Gesetzesvorschlags, sollte die Auswirkungsanalyse auf die involvierten Prozesse beginnen. Nutzen Sie die Zeit bis zur verpflichtenden Umstellung am 11. Oktober 2027, um Ihre Organisation optimal auf T+1 vorzubereiten. Kontaktieren Sie uns für eine individuelle Beratung zu Ihrem spezifischen Anpassungsbedarf.

Autoren: Clara Pustoslemsek (Senior Consultant), Philipp Scheffler (Senior Consultant) und Marius Müller-Frank (Manager)

Zurück zur Übersicht Nächster Beitrag

Das könnte Sie auch interessieren

Weitere Blog-Beiträge

Zurück nach oben springen
Bewerbungsformular